Wabi-Sabi ist eine traditionelle japanische Philosophie, die die Schönheit im Unperfekten sucht. Für die Japaner entsteht Perfektion erst durch Fehler. Fehler werden ganz bewusst als künstlerische Qualität ins Bild mit einbezogen. Und oft ergibt sich die Schönheit erst auf den zweiten oder dritten Blick.
Das Wort setzt sich zusammen aus wabi (elend, einsam, sich verloren fühlen) und sabi (alt sein, Patina haben). Es geht um die kleinen, bescheidenen, unauffälligen Dinge in der Welt. Im Wabi-Sabi ist nicht das Licht ausschlaggebend, sondern der Schatten. In unserem europäischen Kulturkreis sind wir immer versucht, die Schatten im Bild gering zu halten, zu kontrollieren oder gar auszumerzen. Im Wabi-Sabi erhält der Schatten eine eigene Qualität. Auch die Leere im Bild spielt eine wichtige Rolle.
Als ich das erste Mal von Wabi-Sabi las, war das wie eine kleine Offenbarung. Viele der Elemente dieses ästhetischen Konzepts gab es schon immer in meinen Bildern, obwohl ich es so noch nie betrachtet hatte. Die Abbildungsfehler der alten Objektive, meine Art des Bildaufbaus, mein Hang zum Abweichen von Regeln, die Dunkelheit in meinen Bildern, das Spiel mit leeren Bildräumen, der Look ... all das ergab auf einmal "Sinn". Es ist die andere Seite meiner Seele, der Gegenpol zu der opulenten Überschwänglichkeit aus Floras Traumwelt.